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Wie oft solltest du als Anfänger klettern?

Als Anfänger ist es optimal, wenn du 2-3x/Woche kletterst. Nehme dich zwischen den Trainingseinheiten mindestens einen Tag Zeit, denn so werden dein Gewebe und dein Nervensystem wiederholt stimuliert, ohne dass die Erholung darunter leidet.

Um vollständig zu verstehen, warum und wie du als Anfänger klettern sollten, ist es wichtig, die Zeit zu begreifen, die dein Geist und dein Körper brauchen, um sich an diese neue Art der Bewegung anzupassen. Und all die körperlichen Risiken, die damit verbunden sind. Deshalb werde ich in diesem Artikel Themen wie die Anpassung der Weichteile, die Erholungszeiten und die Entwicklung der Kletterfähigkeiten besprechen, damit du eine fundierte Entscheidung darüber treffen kannst, wie und wie oft du als Anfänger klettern solltest.

Bist du bereit?

Lass uns gleich zur Sache kommen!

1. Anpassung des Bindegewebes

Bindegewebsanpassungen sind Veränderungen in deinem Bindegewebe aufgrund neuer Formen der Belastung. In diesem Fall hast du mit dem Klettern angefangen.

Bindegewebe findet sich in all deinen Körpergeweben. Die folgenden Gewebe sind wichtige Strukturen für das Klettern:

  • Knochen: die Grundstruktur unseres Körpers
  • Bänder: straffe Bänder, die extreme Gelenkbewegungen begrenzen
  • Sehnen: verbinden Muskeln mit Knochen
  • Muskeln: bewegen die Knochen und erzeugen so Bewegung
  • Nerven: übertragen elektrische Signale vom Gehirn zum Körper und umgekehrt
  • Herz-Kreislauf-System: pumpt Sauerstoff als Brennstoff zu deinen Muskeln und transportiert Abfallprodukte ab

Jede dieser Strukturen wird sich auf ihre Weise auf dem Klettern anpassen.

Hier findest du einen Überblick darüber, was mit jedem von ihnen geschehen muss:

  • Die Knochen müssen stärker werden, um dich beim Sturz von Boulderproblemen und beim Fliegen in die Wand nach einem Sturz auf Sportrouten zu aufzufangen. Die Knochen deiner Füße müssen gegen die veränderten spezifischen Kräfte, die beim Tragen von Kletterschuhen auftreten, widerstandsfähiger werden. Außerdem müssen deinen Knochen den neuartigen Kräften standhalten, die die Sehnen von den Muskeln übertragen. Hauptsächlich die Sehnen, die die Muskeln der oberen Gliedmaßen mit den Finger-, Hand-, Unterarm- und Oberarmknochen verbinden.
  • Die Bänder müssen stärker und dehnbarer werden, um in den Endbereichen stabil zu sein. Dies gilt vor allem für die Hüften und Schultern.
  • Die Sehnen müssen steifer werden, um die Kraft effizient vom Muskel auf den Knochen zu übertragen. Du solltest auch stärker werden, um höhere Trainingslasten zu bewältigen. Dies gilt vor allem für die Sehnen, die mit den Muskeln der oberen Extremitäten verbunden sind, wobei der Schwerpunkt auf den Sehnen liegt, die mit den Muskeln des Unterarms und der Hand verbunden sind.
  • Die Muskeln müssen im gesamten Körper gestärkt werden, vor allem aber die der Finger, Arme, Schultern und der Rumpf.
  • Klettern beansprucht dein Herz-Kreislauf-System vor allem in den Unterarmen, Händen und Fingern. Es ist daher unwahrscheinlich, dass du beim Klettern jemals deine maximale Herzfrequenz erreichen wirst. Dein Herz-Kreislauf-System muss die Muskeln in deinen Unterarmen mit ausreichend Sauerstoff versorgen und Abfallprodukte abtransportieren. Je effizienter dieser Prozess funktioniert, desto besser kannst du weiter klettern.

Die wichtigste Frage ist nun natürlich, wie lange es dauert, bis sich diese Gewebe anpassen?

Je nach Gewebe dauert es von ein paar Sekunden nach ein paar Minuten bis hin zu 2 Jahren.

Hier siehst du die oben genannten Strukturen noch einmal, aber jetzt nach Anpassungsgeschwindigkeit geordnet:

  1. Das neurologische System kann sich innerhalb von Sekunden bis Minuten anpassen, um die Übertragung von Signalen effizienter zu gestalten. Mehr dazu in Kapitel 3 dieses Artikels
  2. Die Hypertrophie der Muskeln ist ein Prozess, der ab 6 Wochen sichtbar wird.
  3. Die Verbesserung der kardiovaskulären Fitness ist nach etwa 8-12 Wochen spürbar.
  4. Sehnen (Dicke und Steifigkeit), Bänder und Knochen (Dichte) können bis zu 2 Jahre brauchen, um die gewünschte/notwendige Verbesserung zu erreichen

Mit diesem Überblick kriegst du eine Vorstellung davon, was in der Anfangsphase deiner Kletterkarriere mit deinem Körper geschieht. Natürlich gehen alle Anpassungen auch nach den ersten zwei Jahren weiter, aber mit geringerer Geschwindigkeit.

2. Mentale Anpassung

Der mentale Aspekt des Kletterns ist enorm wichtig.

Ihm wird jedoch in der Regel weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt als den physischen und technischen Aspekten. Ja, er ist der „Joker“ in der Klettersport. Der „make it or break it“-Faktor. Und sie spielt eine enorme Rolle bei der Festlegung, wie oft du als Anfänger klettern solltest.

Warum ist das so?

Aus den folgenden 2 Gründen:

  1. Du wirst dich mit den verschiedenen Ängsten auseinandersetzen müssen, die du als Kletterer erleben wirst: Angst vor dem Fallen, Angst vor der Höhe, Angst zu versagen und Angst, nicht genug zu trainieren. Sie alle hemmen deinen Fortschritt und kann deine Bewegung in der Kletterwand verändern oder destabilisieren, wodurch sich das Verletzungsrisiko erhöht.
  2. Du werdest auch lernen müssen, deinen Körper und deinen Geist zu beobachten und deren Signale entsprechend zu nutzen. Diese mentale Stärke kann dich sehr dabei helfen, zu erkennen, wann und wie intensiv du klettern müsst und wann eine Pause angesagt ist.

Ein klassisches Beispiel dafür, wie die Angst vor einem Sturz die Kletterleistung beeinträchtigen kann, habe ich kürzlich in einer Route erlebt, in der ich gezwungen bin, weit über den Haken hinaus zu klettern, bevor ich den Expresse dort effizient clippen kann. Die Angst vor einem Sturz führt dazu, dass ich meinen Körper anspanne, zu fest greife (mich fester als nötig an den Griffen festhalte und dadurch Energie verliere), mich starr bewege, zittrige Beine habe, die Präzision bei der Platzierung der Füße verliere, meine Herzfrequenz steigt und die Finger schwitzen. Das alles hindert mein Gehirn daran, flüssige Bewegungen und den richtigen Kraftaufwand für die Bewegungen zu lernen, die ich ausführen muss. Die Tatsache, dass ich übermäßig viel Kraft aufbringe und mich starr bewege, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer akuten Überlastung und einer ineffizienten Positionierung meines Körpers, was beides das Verletzungsrisiko erhöht.

Für mich liegt der Schlüssel zur mentalen Anpassung darin, diese Ängste zu akzeptieren und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, aber sie in Stücke zu schneiden. Also klettere ich bis zum letzten geklippten Expresse und stürze. Dann klettere ich 30 Zentimeter höher und falle wieder. Ich mache so weiter, bis ich an dem Punkt bin, an dem ich früher Angst hatte, aber jetzt weniger. Sobald diese Angst in meinem Kopf abgebaut ist, kann ich mich besser auf mein Klettern konzentrieren.

Das Fazit ist, dass es für deinen langfristigen, verletzungsfreien Fortschritt als Kletteranfänger entscheidend ist, dass du schon früh ein starkes inneres Bewusstsein entwickelst. Das bedeutet, dass du dich bewusst machst, wie fit du dich fühlst (um zu entscheiden, ob du klettern kannst), wie du dich bewegst (um deine Technik zu verbessern) und dass du Ängste erkennst und mit ihnen umgehst, bevor sie dein Klettern beeinträchtigen und dich schaden können.

3. Entwicklung von Skills: Motorisches Lernen erklärt

Klettern ist hauptsächlich ein technikbasierter Sport. Je besser deine Technik, desto effizienter kletterst du. Du werdest das schnell herausfinden, wenn du „schwach aussehende“ Menschen sehst, die schwere Routen klettern.

Wie lernst du also die Technik des Kletterns? Was passiert mit deinem Körper und deinem Gehirn, wenn du neue Bewegungsmuster ausprobierst?

Damit werden wir uns jetzt befassen.

Lass uns zunächst erstmal über das motorische Lernen sprechen. Das ist die Fähigkeit deines Nervensystems, neue Bewegungen oder motorische Muster zu lernen, denn das ist es, was sie wirklich sind. Neue Kombinationen von Neuronen feuern zusammen, um neue Bewegungen auszulösen.

Das funktioniert folgendermaßen: dein Gehirn nimmt die Notwendigkeit wahr, deinen Körper und deine Gliedmaßen in eine Position zu bringen, um den nächsten Griff zu ergreifen. Diese Wahrnehmung entsteht durch Nervensignale, die von verschiedenen Stellen deines Körpers zum Gehirn gelangen (afferente Nervensignale). Zu diesen Ursprüngen afferenter Nervensignale gehören deine Augen, Finger, Füße und dein Gleichgewichtsorgan.

afferente und efferente Nervensignalisierung
Afferente Signale gehen vom Körper zum Gehirn, und efferente Signale gehen vom Gehirn zum Körper.

Sobald dein Gehirn diese Signale verarbeitet hat, reagiert es, indem es Signale an den Körper sendet (efferente Nervensignalisierung). Diese Signale werden über die motorischen Einheiten (die Nervenenden, die mit dem Muskel verbunden sind) an alle Muskeln in deinem Körper weitergeleitet und erzeugen die notwendigen Bewegungen, um den nächsten Griff zu greifen.

Oder nicht, und dann fallst du.

Dies führt dann zum motorischen Lernen. Du und dein Nervensystem müssen das Feuern der Neuronen so einstellen, dass die Kombination aus Bewegung, Spannung und Entspannung in den zusammenarbeitenden Teilen deines Körpers dich besser in die Lage versetzt, den Griff beim nächsten Versuch zu erreichen.

Die Zusammenarbeit zwischen den Muskeln wird als intermuskuläre Koordination bezeichnet, und die Zusammenarbeit und Optimierung einzelner motorischer Einheiten am selben Muskel wird als intramuskuläre Koordination bezeichnet.

Motoreinheit
Ein Nerv endet an Muskelfasern. Jede Kombination aus einem Nervenende und den damit verbundenen Muskelfasern wird als motorische Einheit bezeichnet.

Bei komplexen Bewegungsmustern, wie z.B. beim Klettern, müssen so viele Dinge zusammenpassen, dass du logischerweise diesen Prozess von Versuch und Irrtum brauchst, damit dein Nervensystem seine Funktion optimieren kann. Jedes Mal, wenn du ein Motormuster ausprobieren, wird dieser Prozess effizienter. Das wiederum führt zu effizienteren Bewegungen, besserer Spannung und Entspannung und geringerem Energieverbrauch.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, neue Bewegungsmuster effizient zu lernen:

  1. Chunking: Aufteilung komplexer Bewegungsmuster in kleinere Einheiten, um sie zu lernen. Das machst du, wenn du eine Sportroute von Haken zu Haken boulderst, um die Züge zu lernen, oder wenn du bei einem Boulderproblem jeden Zug einzeln ausprobierst.
  2. Chaining: An einander schliessen von Teilen eines Bewegungsmusters, so dass du ein motorisches Muster entwickelst. An der Wand nennt man das „Verknüpfen“ der Route, bei dem du beginnst, immer größere Teile zu klettern, bis du es ganz schaffst.
  3. Regression: Leichtere Variationen einer Bewegung, die du versuchst zu machen. Beim Klettern könnte das bedeuten, dass du die gleiche Bewegung an größeren Griffen oder an einer weniger steilen Wand machst.
  4. Progression: du gehst von den größeren Griffen an einer senkrechten Wand zu einer stärker überhängenden Wand über, wobei du dann auch die Größe der Griffe reduzieren.

Diese Strategien kannst du jedes Mal anwenden, wenn du dich auf eine Route begibst, auf der du auf Teile stoßest, die du nicht oder nicht effizient machen kannst.

Das Entscheidende bei der Entwicklung von Kletterfähigkeiten ist, dass dein Nervensystem so viele Bewegungen wie möglich vorprogrammiert hat, um automatisch die richtigen Bewegungen im richtigen Moment auszuführen, wenn du eine neue Route kletterst. Der beste Weg, dich als Kletteranfänger dieses große Bewegungsrepertoire anzueignen, ist, so viele verschiedene Routen wie möglich zu klettern.

4. Vorbeugung von Überlastungsverletzungen als Anfänger beim Klettern

Der wichtigste Grund, warum du als Kletteranfänger nicht täglich klettern kannst, ist das Risiko von Überlastungsschäden. Wie du inzwischen weisst, müsst du neue Bewegungsmuster lernen und einen Geist entwickeln, der sich in der Höhe wohl fühlt. Beides führt dazu, dass du am Anfang ineffizient kletterst, was wiederum eine größere Belastung für deinen Körper bedeutet. Daher ist es wichtig, dass du deinem Gewebe genügend Zeit gibst, sich von Klettereinheiten zu erholen.

Anhand des folgenden Leitfadens kannst du entscheiden, wann du wieder klettern kannst, indem du nach jeder Klettereinheit deine empfundene Anstrengungsrate (Rate of Perceived Exertion (RPE)) messt. Du kannst dies tun, indem du deinen Erschöpfungsgrad nach einer Sitzung auf einer Skala von 1-10 bewertest. Wobei 1 überhaupt keine Erschöpfung bedeutet und 10 bedeutet, dass du völlig leer bist.

  1. RPE 1 – 4: Du kannst morgen wieder klettern
  2. RPE 5 – 7: Du kannst übermorgen wieder klettern
  3. RPE 8 – 10: Du kannst in 3-4 Tagen wieder klettern
rpe-Skala

Es ist wichtig, dass du dich an dem Tag, an dem du klettern willst, immer vergewissern, ob es eine gute Idee ist. Wenn du von deiner letzten Klettersession noch erschöpft bist, ist es besser, einen weiteren Tag zu pausieren.

Sobald du mehr als 2 Jahre geklettert bist, kannst du mehr Tage hintereinander klettern, indem du die Art des Kletterns abwechselst. Wie du diese Trainingseinheiten planst, ist allerdings ein Thema für einen anderen Blog.

Neben dem richtigen Timing deiner Klettereinheiten ist es auch wichtig, Folgendes zu beachten, um die Erholung zu optimieren und Überlastungsschäden zu vermeiden:

  • Klettere nie durch Schmerzen hin
  • Wenn ein unbekannter Schmerz länger als eine Woche immer wieder auftritt, wende dich an einen Arzt
  • Trinke täglich eine halbe Unze Flüssigkeit pro Pfund und zusätzlich alle 15-20 Minuten während der Trainingseinheiten das Doppelte Ihres Körpergewichts in Kilogramm in Millilitern.
  • Finde die richtige Art der Ernährung für deinen Körper, vorzugsweise mit einem ausgebildeten (Sport-)Ernährungsberater, um sicherzustellen, dass du die richtige Menge und Art von Kalorien zu dich nimmst.

5. Verfügbarkeit von Zeit und Energie

Damit habe ich oft zu kämpfen. Leider verbrauchen die Arbeit, das Leben und das Klettern die gleiche Batterie in meinem Körper. Wenn also andere Aspekte des Lebens viel Energie erfordern, habe ich weniger Zeit und Energie zum Klettern. Auch wenn ich mir wünsche, dass es anders wäre.

Damit solltest du dich auseinandersetzen und es nicht ignorieren. Wenn du dein Klettern mit einem schwachen Akku forcierst, steigt das Risiko von Überlastungsschäden und Übertrainingssyndrom.

Gleich wie du deinen RPE nach einer Trainingseinheit messen kannst, kannst du dich selbst fragen: „Wie frisch fühle ich mich?“ auf einer Skala von 1-10. Dies ist ein guter Ausgangspunkt, um herauszufinden, wie bereit du zum Klettern bist. Ich schlage vor, dass du die Zahl, die du dich selbst gibst, wie folgt verwendest:

  • Frische 0-4: gar nicht trainieren, einen weiteren Tag ausruhen
  • Frische 5-7: du kannst klettern, aber du solltest deine Trainingsintensität reduzieren
  • Frischegrad 8-10: klettere nach Belieben

Die Frische ist kein wissenschaftlicher Maßstab, sondern ein Ausgangspunkt, um deine Trainingsbereitschaft zu ermitteln. Es muss für dich nicht dasselbe bedeuten wie für deinen Kletterpartner. Wenn es für dich aber immer dasselbe bedeutet, kannst du es nutzen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.

6. Reicht es aus, einmal pro Woche zu klettern?

Mit all dem, was wir besprochen haben, ist es nun einfach, diese Frage zu beantworten. Als Kletteranfänger ist es nie zu viel, einmal pro Woche zu klettern, aber es ist auch nicht genug, um optimale Fortschritte zu machen. Du solltest häufig klettern und verschiedene Routen wählen, um dein Nervensystem zu stimulieren und neue Bewegungsmuster zu lernen.

Wenn du also nur einmal in der Woche klettern kannst, ist das in Ordnung. Wenn du mehr klettern kannst, wäre das noch besser.

Nun zurück zur Ausgangsfrage: Wie oft solltest du als Anfänger klettern?

7. Wie oft sollten Anfänger klettern?

Wie ich bereits zu Beginn dieses Artikels erwähnt habe, sollten Kletteranfänger 2-3x pro Woche klettern. Dies ist die ideale Menge, um das Nervensystem mit neuen Bewegungen zu stimulieren und gleichzeitig genügend Zeit für die Erholung zu haben. Zu Beginn solltest du immer mindestens 1 Tag Pause zwischen den Klettersitzungen einlegen und die RPE- und Frische-Messungen nutzen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie fit du im Moment bist.

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